Es war einmal ein
ziemlich kleines Land, in dem fast immer die Sonne schien und die
Menschen zufrieden und glücklich waren. Sie waren weder reich noch
arm, und niemand musste Hunger leiden. Regiert wurde das kleine Land
vom Präsidenten, der mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter
Regina in einem schönen Haus auf einem Berg wohnte.
Doch das kleine Land war
etwas ganz besonderes, denn es lag ganz genau auf einem der
Längengrade, der eine Zeitzone bedeutete.
Vor vielen Jahren hatte
der Großvater des Präsidenten entschieden, dass die Zeitzone einen
kleinen Schlenker um das Land machte, sodass im ganzen Land die
gleiche Uhrzeit herrschte.
Anstatt einer geraden
Linie machte die Grenze der Zeitzone also einen Bogen.
Der Präsident des
kleinen Landes stand eines Tages, es war ein Donnerstag, auf seinem
Balkon und blickte auf sein Land hinab.
Ihm war ein bisschen
langweilig, er kratzte seinen dicken Bauch und er überlegte, ob er
ein neues Gesetz erfinden könnte.
Zum Beispiel eines, das
es verbot, an Wochentagen, die mit D begannen, zu stricken.
Aber er wusste, dass das
seiner Frau nicht gefallen würde.
Oder ein Gesetz, das
sagt, dass es jeden Donnerstag ein Feuerwerk geben musste.
Aber auch das würde
seiner Frau nicht gefallen.
Also musste er sich etwas
anderes einfallen lassen.
Und plötzlich hatte er
eine Idee....
Schnell sauste er in sein
Präsidenten-Schlafzimmer, zog sich seinen schönsten Pullover an und
ging eilig zu seiner Frau.
Seine Frau saß am
Fenster und strickte.. Seit über einem Monat schon strickte sie an
einem grünen Schal. Er war mittlerweile schon bestimmt drei Meter
lang. Oder sogar noch länger, sie hatte nicht nachgemessen. Sie
hatte keine Ahnung, wem sie den Schal schenken könnte, und so
strickte sie einfach immer weiter. Neben ihr saß Regina auf dem
Fußboden und malte ein Bild. Es zeigte einen sehr dicken Mann, eine
Frau mit langen Haaren und ein Kind, und alle zogen an einem langen
grünen Strick, oder vielleicht war es auch ein Schal.
Als der Präsident etwas
außer Atem ins Zimmer gerannt kam, blickte sie von ihrem Strickzeug
auf und Regina legte die Wachsmalstifte zur Seite.
„Oh, hast du einen
neuen Orden? Der ist aber besonders hübsch“ sagte sie.
„Nein, den Orden habe
nicht ich, sondern der Minister für die Begradigung der
Zeitzonenlinie“ sagte er und versuchte, äußerst pflichtbewusst
auszusehen.
„Und wer ist dieser
Minister?“ fragte seine Frau und seufzte ein ganz klein wenig.
„Dieser Minister bin
natürlich ich“ sagte der Präsident und stellte sich ganz gerade
hin.
„Und wer hat ihm diesen
Orden verliehen?“ fragte Regina und lutschte an einem rosafarbenen
Stift.
„Natürlich der
Präsident“ sagte der Präsident.
„Oh“ sagte seine Frau
und strickte weiter.
„Willst du denn gar
nicht wissen, was der Minister für die Begradigung der
Zeitzonenlinie macht?“
Doch, sagte sie, das will
ich schon wissen.
„Ich werde die
Zeitzonenlinie nicht mehr um unser Land herumführen lassen, sondern
sie ganz gerade genau durch das Land hindurch laufen lassen“ sagte
er stolz.
„Und was sagt der
Präsident dazu?“ fragte seine Frau.
„Na der hat mich doch
dazu ernannt“ sagte er empört.
„Und wie stellen sich
der Herr Präsident und der Herr Minister diese Begradigung vor?“
Der Präsident und
Minister für die Begradigung der Zeitzonenlinie holte tief Luft.
„Ganz einfach: Die
Zeitzonenlinie wird ganz genau exakt durch unser Land führen, wie
mit dem Lineal gezogen. Und damit jeder die Linie sieht, werden wir
sie überall markieren. Vielleicht mit hübschen roten
Pflastersteinen...
Oder mit grünen...
Oder mit Blumenkübeln.“
(Er wusste, seine Frau
mochte Blumen sehr gern...)
Der Präsident warf einen
Blick auf das Bild, das seine Tochter malte, und schnaubte einmal
kurz auf.
„SO dick bin ich aber
nun wirklich nicht, Regina“ rief er ein bisschen grummelig.
„Doch, Papa, das bist
du“ sagte Regina und malte weiter.
Der Präsident schnappte
ein bisschen nach Luft und blickte seine Frau an.
„Dann wirst du
sicherlich eine ganze Weile ziemlich beschäftigt sein, oder?“
„OH ja, das werde ich“
sagte der Minister stolz.
"Dann wünsche ich
dir mal alles Gute" sagte seine Frau und atmete ganz tief ein.
Gesagt, getan, der
Minister schnappte sich eine Landkarte und markierte ganz genau, wo
die Zeitzonenlinie verlief, dann rief er seinen obersten Gärtner und
seinen obersten Straßenbauer, zeigte ihnen die Karte und sagte
ihnen, was er vorhatte.
"Herr Präsident,
das sollen wir wirklich machen?" fragte der oberste Gärtner.
„Aber ja“ sagte der
Präsident und nickte stolz.
„Ganz genau so, wie
hier auf dieser Karte eingezeichnet?“ fragte der oberste
Straßenbauer und kratzt sich am Kopf.
Der Präsident holte tief
Luft.
"Ich bin der
Minister für die Begradigung der Zeitzonenlinie, ernannt vom
Präsidenten persönlich, und wir sagen: So wird das gemacht."
Also machten sich die
beiden tatsächlich an die Arbeit, und nach einigen Tagen hatten sie
eine ganz exakt genau gerade Linie gezogen, durch das ganze Land. Die
Linie verlief durch Wiesen und Wälder, durch einen kleinen See, dort
war er mit Bojen markiert, durch eine kleine Stadt und sogar durch
ein Schule. Viele Menschen wunderten sich über die Linie aus roten
Steinen, aber viele freuten sich auch über die vielen neuen
Blumenkübel. Auch wenn einige von ihnen ziemlich im Weg standen.
Der Präsident sagte den
Reportern vom Fernsehen, dass er eine wichtige Rede zu halten habe,
die alle Menschen hören sollten. Also kamen die Reporter, mit Kamera
und Mikrofon, und der Präsident zog sich seinen schönsten Pullover
an und erklärte den Menschen, was die Linie bedeutete.
Am Ende seiner Rede
blickte er auf seine Uhr, blickte bedeutsam in die Kamera und sagte
mit wichtiger Stimme:
„Und hiermit verkünde
ich, das ab sofort auf der linken Seite der Linie (er schaute genau
auf seine Uhr) viertel vor sieben und auf der rechten Seite der Linie
viertel vor acht Uhr ist.“
Im ganzen Land herrschte
natürlich große Aufregung. Kinder wurden sofort vom Spielen herein
gerufen, da es auf einmal schon eine Stunde später war, Frauen
beeilten sich, das Essen doch noch pünktlich auf den Tisch zu
bekommen und Busse waren auf einmal eine Stunde zu spät.
Und die Aufregung ging am
nächsten Tag natürlich weiter. In der Schule, durch die die
Zeitzonenlinie ging, begann der Unterricht in der einen Hälfte der
Schule nun eine Stunde später als in der anderen. In der Stadt
mussten Menschen, die beim Bäcker ihre Brötchen kaufen wollten,
plötzlich eine Stunde vor dem verschlossenen laden warten, da es
dort noch eine Stunde früher war. Überquerte der Bus die Linie, war
er entweder eine Stunde zu spät oder eine Stunde zu früh. War er zu
spät, dann schimpften die Menschen. und war er zu früh, dann blieb
er einfach eine Stunde stehen, damit er wieder pünktlich war, und
die Menschen schimpften schon wieder.
Der arme Busfahrer!
Doch der Präsident war
stolz. So was wie in seinem Land gab es in keinem anderen kleinen
Land der Welt. Am Mittag des ersten Tages der neuen Zeitrechnung ging
er in sein Esszimmer und blickte auf den leeren Esstisch. Er kuckte
noch mal ganz genau hin und dann auf seine Uhr und dann wieder auf
den leeren Esstisch. Er kratzte sich am Kopf und suchte seine Frau.
Die saß am Fenster und strickte, der grüne Schal war mittlerweile
schon bestimmt fünf Meter lang.
Oder noch länger.
Ähm, sagte er, gibt´s
denn heute nichts zum Mittagessen?
Seine Frau blickte kurz
von ihren Stricknadeln auf.
„Jetzt schon?“
Der Präsident blickte
auf seine Uhr und sagte: „Wieso jetzt schon? Es ist zwölf Uhr.“
Seine Frau strickte
weiter. "Und bei mir ist es erst elf, du musst noch eine Stunde
warten.“
Und da fielen dem
Präsidenten die vielen Blumenkübel auf, die wie auf einer
Perlenkette aufgereiht im ganzen Präsidentenhaus standen.
"Ähm, verläuft die
Zeitzone etwa direkt durch unser Haus" fragte der Präsident
entgeistert.
"Ja, das hat dein
Minister wohl so beschlossen" sagte die Frau.
"Also bei dir ist es
elf Uhr und bei mir zwölf?“
„Exakt“ sagte sie,
ohne von ihren Stricknadeln aufzublicken.
„Hast du denn
vielleicht , ähm, eventuell Lust, jetzt hier auf meine Seite zu
kommen?
Dann ist es für dich
auch zwölf Uhr und wir können essen.“
„Komm du doch auf meine
Seite, hier ist es erst elf, und wir könnten noch ein Stündchen
plaudern.“
„Aber ich habe doch
JETZT Hunger“ sagte der Präsident und seufzte tief.
Regina kam ins Zimmer
gerannt, sie hatte schon ihre Reitstiefel an und trug ihre Reitkappe.
„Reiten!“ reif sie,
„jetzt!“.
„Nein, Schatz“ sagte
die Frau des Präsidenten, „der Reitstall ist auf der anderen Seite
der Zeitzone, dort ist es noch nicht so spät wie hier, wir müssen
noch ein bisschen warten mit deiner Reitstunde“.
„Reiten JETZT“ rief
Regina, diesmal ein bisschen lauter.
„Dann sag das mal
deinem Herrn Papa“ sagte die Frau ungerührt.
Da klingelte das Telefon.
Es war der Direktor der
Schule, und der klang ganz aufgeregt.
"Herr Präsident, so
geht das nicht weiter, in der einen Hälfte der Schule fängt der
Unterricht nun eine Stunde eher an als in der anderen, und wenn die
Schüler aus der einen Hälfte auf den Sportplatz gehen, müssen sie
nun alle ihre Uhren um eine Stunde vorstellen, und wenn die Schüler
aus der anderen Hälfte in den Kunstraum gehen, ist es eine Stunde
früher. Alle sind verwirrt und durcheinander. Kann die Linie nicht
einen ganz klitzekleinen Schlenker um unsere Schule machen?
"Ich werde das mit
meinem Minister für die Begradigung der Zeitzonenlinie besprechen"
sagte der Präsident und legte schnell auf.
Sofort klingelte das
Telefon wieder. Es war der oberste Förster des Landes, der auch für
den Fischfang und die Angler zuständig ist.
„Herr Präsident“,
sagte er etwas atemlos, „in unserem Land herrscht das
Fischfang-Gesetz von 1887, und das besagt, dass man erst ab sieben
Uhr morgens angeln darf. In unserem Fischteich ist aber auf der einen
Seite des Sees erst halb sieben Uhr und auf der anderen Seite schon
halb acht. Die Angler fangen auf der Seite an zu angeln, auf der es
später ist, und wechseln dann einfach auf die andere Seite hinüber.
Dürfen die das?“
Man konnte hören, er war
ziemlich empört.
Der Präsident grummelte.
„Ich werde das mit den
zuständigen Gremien besprechen“ sagte er, bevor er auflegte.
Und ganz tief seufzte.
Dann ging er zu seiner
Frau.
„Hast Du auch Deine Uhr
umgestellt?“ fragte sie, ohne von ihrem mittlerweile mindestens
vier Meter langen grünen Schal aufzublicken, an dem sie mit, nun ja,
sagen wir wie es ist, verbissenem Nachdruck strickte.
„Ähm , neee, wieso?“
„Naja, du bist der
Präsident, und deine Uhr muss doch immer richtig gehen. Es kann doch
nicht angehen, dass die Uhr des Präsidenten eine Stunde nachgeht,
oder?“
Der Präsident brummte.
„Ich muss mal
nachdenken“ sagte er.
„Und ich muss wohl mal
in die Stadt gehen“ sagte er und brummte weiter.
Seine Frau holte ganz
langsam ganz tief Luft, aber so dass er es nicht bemerkte.
Der Präsident ging in
die Stadt, und er ging ausnahmsweise einmal nicht zuerst zum Friseur
und danach ins Wirtshaus, sondern direkt zum einzigen Uhrenhändler,
der am Marktplatz seinen Laden hatte.
„Oh, guten Tag, Herr
Präsident, was verschafft mir die Ehre?“ sagte der Uhrenhändler,
als der Präsident die Ladentür öffnete.
„Hmm, naja, wollt mal
sehen, wie es so geht“ brummte der Präsident.
„Wie es so geht, wie es
so geht“ lachte der Uhrenhändler, denn er dachte, das wäre ein
kleiner Witz des Präsidenten gewesen.
„Nun, alle Uhren gehen,
gehen WIEDER richtig, denn ich musste sie ja alle umstellen.“
„Umstellen? Wieso?“
grummelte der Präsident.
„Naja, nachdem die neue
Zeitlinie gezogen war, war es hier auf einmal eine Stunde früher,
also musste ich alle Uhren vorstellen. Wie sähe das den aus, wenn
beim Uhrenhändler alle Uhren falsch gingen...“
Sein Lehrling, ein
blasser dünner Junge mit Segelohren, kam aus der hinteren Werkstatt
und blickte den Präsidenten klagend an.
„ALLE Uhren umstellen,
ja ja“ seufzte der Lehrling.
Der Präsident blickte
sich um. Überall an den Wänden, in Vitrinen und Schaukästen
tickten Uhren, es gab Kuckucksuhren, Armbanduhren und Taschenuhren.
„ALLE“ wiederholte
der Lehrling.
„Ist ja gut“, sagte
der Uhrenhändler, „nun ist es ja geschafft. Und was dürfen wir
heute dem Herrn Präsidenten anbieten?“
Der Präsident brummte
kurz.
„Ich brauche eine
Armbanduhr.“
„Ach, tut es die alte
Uhr nicht mehr so gut? Oder sollen wir sie reparieren?“
„Nein nein, ich brauche
eine zweite Uhr. Eine Armbanduhr, die mir die Uhrzeit anzeigt, wie
sie im anderen Teil des Landes ist. Denn die Armbanduhr des
Präsidenten muss natürlich immer exakt die korrekte Uhrzeit
anzeigen, oder?“
„Da haben Sie wohl
recht, Herr Präsident“ sagte der Uhrenhändler.
Der Präsident suchte
sich eine Armbanduhr aus, nicht zu teuer, damit seine Frau nicht
schimpfte, und zog sie gleich an.
„Linke Hand: Linke
Seite des Landes, rechte Hand: Rechte Seite des Landes. Ist doch ganz
einfach, oder?“ sagte der Präsident und bemühte sich, einen sehr
zuversichtlichen Eindruck zu machen.
„Wie es dem Herrn
Präsident beliebt“ sagte der Uhrenhändler.
Der Lehrling musste auf
einmal sehr doll husten und ging lieber wieder zurück in die
Werkstatt.
Der Präsident machte
sich auf den Rückweg nach Hause. Auf dem Weg begegneten ihm zwei
Frauen, die so sehr in ihr Gespräch vertieft waren, dass sie ihn gar
nicht bemerkten.
„Weißt du“, sagte
die eine der Frauen, „mein Mann arbeitet ja in der linken Hälfte,
und wir wohnen in der rechten Hälfte. Das wäre ja noch machbar,
aber unser Sohn wohnt ja nun schon seit einem Jahr im Nachbardorf,
dort ist ebenfalls die rechte Hälfte. Ich mach also morgens ganz
normal das Frühstück für meinen Mann, der fährt dann in den
Betrieb und muss dann, sofern denn der Bus pünktlich fährt, erst
mal eine Stunde warten, bis der Betrieb aufmacht. Mein Sohn kommt in
der Mittagspause immer nach Hause zu mir und will dann was essen. Das
ist dann bei mir aber schon am Nachmittag. Und dann kommt schon
wieder mein Mann nach Hause und will sein Abendbrot. Ich steh den
ganzen Tag nur noch in der Küche und mach Essen warm.“
Sie seufzte tief.
Die andere Frau nickte
verständnisvoll.
„Jaja, aber bei mir ist
es noch schlimmer: Das eine Kind geht zur Grundschule, das andere
Kind ist in der Lehre beim Uhrenhändler. Zwei Kinder, zwei Hälften
des Landes. Das heisst: Jeden morgen zwei mal Frühstück machen,
dann zwei mal Mittagessen und dann zwei mal Abendbrot. Und dann hatte
ich einen Friseurtermin, und mir wurde gesagt, ich sei eine Stunde zu
spät und nun wäre nichts mehr frei....“
Der Präsident ging
schnell weiter nach Hause.
Dort war zum Glück alles
wie gewohnt. Seine Frau saß am Fenster, und zu ihren Füßen
kringelte sich ein sehr sehr langer grüner Schal, und Regina stand
in der Mitte des Zimmers und hüpfte von einem Fuß auf den anderen.
„Schau mal, der Papa
ist da, nun kannst du auch mal mit ihm dein neues Spiel spielen“
sagte die Frau des Präsidenten, und man konnte, wenn man genau
hinhörte, ein ganz klein bisschen hören, dass sie ein ganz klein
bisschen genervt war.
„Oh, ein neues Spiel?“
fragte der Präsident und bemühte sich, einen irgendwie freudigen
Eindruck zu machen.
„Ja“, rief Regina,
„das Uhrzeit-Spiel“.
„Und wie geht das?“
Regina stellte sich
direkt neben die Blumentöpfe, die immer noch eine Linie durch das
Wohnzimmer bildeten.
Dann blickte sie ihren
Vater herausfordernd an.
„Wie spät ist es?“
fragte sie.
Dem Präsidenten wurde
ein klein wenig heiß, er versuchte, sich schnell die Karte seines
Landes vorzustellen, blickte dann auf seine linke Armbanduhr und
versuchte, sehr überzeugend zu klingen.
„Es ist jetzt ganz
genau viertel vor drei, das sage ich dir als dein Vater und als
Präsident dieses Landes“.
Regina kuckte ihren Vater
kurz zweifelnd an, nickte aber dann.
Dann hüpfte sie über
den Blumentopf, der neben ihr auf dem Fußboden stand, und blickte
wieder auf ihren Vater.
„Und wie spät ist es
jetzt?“
„Immer noch viertel vor
drei“ sagte der Präsident.
„Falsch, falsch,
falsch“ rief Regina und sprang auf und ab.
„Du musst immer sagen,
wie spät es bei IHR gerade ist“ sagte die Frau des Präsidenten.
„Gut“, sagte der
Präsident, „bei dir ist es gerade ganz genau vierzehn Minuten vor
VIER“.
Er brummte und seufzte
zugleich.
Regina blickte ihren
Vater an, nickte ernsthaft, und sprang wieder über den Blumentopf
zurück.
„Und jetzt?“
„Jetzt ist es vierzehn
Minuten vor DREI“ sagte der Präsident.
Regina bestätigte dies
mit einem erneuten Nicken, und sprang wieder über den Blumentopf.
„Und jetzt?“
Der Präsident murrte ein
bisschen.
„Das ist dein neues
Lieblings-Spiel, oder?“ fragte er.
Seine Frau lachte kurz
auf.
„Ja, und sie spielt das
sehr sehr ausdauernd, nicht wahr, Regina?“
Der Präsident brummte.
Und brummte.
Seine Frau wusste: Wenn
er anfing zu brummen dachte er nach. Sehr doll nach.
Er brummte und brummte
und hörte gar nicht mehr auf zu brummen.
Seine Frau ließ ihr
Strickzeug sinken und blickte ihn an.
„Meinst Du, Du könntest
mal mit deinem Minister für die Begradigung der Zeitzonenlinie
reden? Ich meine, der arme Mann hat so viel Ärger und Arbeit gehabt,
der braucht doch bestimmt mal einen kleinen Urlaub. Und wenn er
gerade mal nicht da ist, könnte doch vielleicht der kluge Herr
Präsident dafür sorgen, dass hier in seinem Land wieder Ordnung
herrscht. Oder?“
Der Präsident brummte
noch einmal kurz und meinte dann, dass das wohl keine sehr schlechte
Idee sei.
Gesagt, getan: Der Herr
Minister wurde in den Vorruhestand versetzt, bekam noch einen Orden
und ward nimmer mehr gesehen. Einen Tag später hielt der Präsident
eine Rede im Fernsehen, in der er die Regelung der exakten Zeitzone
ein für alle Mal zurück nahm und sich stolz und ehrfürchtig auf
die Tradition seines Großvaters besann, die besagt, dass die
Zeitzonenlinie einen Schlenker um das kleine Land macht.
Und alle Bewohner des
Landes waren so begeistert von der Nachricht, dass sich kaum einer
darüber wunderte, dass der Präsident einen sehr sehr langen grünen
Schal bei seiner Ansprache trug.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen